10 Dezember, 2007

"Laptop-Schnecke"

Hintergrund
Wenn wir unliebsame Aufgaben zu eledigen haben, zum Beispiel die Steuer­erklärung abgeben oder einen seitenlangen Artikel Korrektur lesen, lassen wir uns besonders gern vom Informationsstrom der digitalen Medien ablenken. Wir schauen dann minütlich in unserem E-Mail-Eingang nach, ob nicht jemand an uns denkt oder verlieren uns in den Untiefen des Internets auf der Suche nach den neuesten Nachrichten aus aller Welt. So vergehen Stunden, in denen wir sehr beschäftigt aber überhaupt nicht produktiv sind. Nach einer Weile erwachen wir aus unserem gedankenlosen Medienkonsum und erinnern uns, dass wir doch eigentlich eine wichtige Aufgabe erledigen wollten. Dann geraten wir plötzlich in Zeitnot.
Manchmal müssen wir uns gezielt abschotten vom Grundrauschen der Medien, um einen Gedanken bis zu Ende zu verfolgen oder uns einer Aufgabe zu widmen, ohne uns selbst zu unterbrechen.

Idee
Mit der Laptop-Schnecke können wir uns zurück ziehen aus der vernetzten Welt. Dieser versilberte Umhang läßt sich im Handumdrehen in einen zuverlässigen Schutz gegen die vernetzte Welt umwandeln und mit zwei Handgriffen auch am Cafétisch in der Castingallee [1] aufspannen. So sind wir sowohl nach außen für unsere Tischnachbarn nicht ansprechbar, als auch per Laptop nicht mehr zu erreichen. Das Gewebe schirmt WLAN-Strahlen und Mobilfunkstrahlen zu 99 Prozent ab, unsere Airport-Karte hat keinen Empfang, und wir können nicht ans Telefon gehen.


Umhang mit Laptop im Querschnitt


Realisierung
Die "Laptop-Schnecke" ist aus dem feinsilber­metallisierten Polyamidgewebe
Picasso gefertigt (bestellt bei strahlenfrei.de)
Ein Test mit dem Stoff zeigte, daß nur dann der WLAN-Empfang gestört wird, wenn das Gewebe wie ein Faradayscher Käfig [2] absolut dicht das Laptop umhüllt. Da es möglich sein soll, weiterhin am Laptop zu arbeiten, d.h. sowohl auf den Bildschirm zu schauen als auch die Tastatur zu bedienen, sind andere halbe Abdeckungsformen, wie Paravents, Blenden, Zelte ausgeschlossen. Der Laptopnutzer muss sich den schneckenförmigen Umhang wie ein Kleidungsstück über den Kopf ziehen. Sein Sichtfeld wird auf das Laptop beschränkt.
Den Schnitt für die "Laptop-Schnecke" sowie den ersten Prototypen hat die australische Modedesignerin Melinda Stokes in ihrem Berliner Studio gefertigt.

"Laptop-Schnecke", Abschirmgewebe © Ivy Kunze



"Laptop-Schnecke" in Anwendung, © Ivy Kunze, Digitaldruck, 51 x 34cm



Ton an! Dokumentationsfilm "Laptop-Schnecke", © Ivy Kunze


[1] beliebte Szenestraße von hippen Laptoparbeitern in Berlin, Prenzlauer Berg
[2] allseitig geschlossene Hülle aus leitfähigem Material, in die kein äußeres elektrisches Feld eindringen kann, In: Brockhaus, 1997

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